Michael Heuchemer
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Dr. Michael Heuchemer

  
Badische Zeitung 6.10.2009

Befangenheit

Kindsmörder Gäfgen siegt über Gutachter

Im Prozess des Mörders Magnus Gäfgen gegen das Land Hessen ist der renommierte Gutachter Norbert Leygraf als Sachverständiger ausgetauscht worden. Der Grund: Das Landgericht Frankfurt sah eine mögliche Befangenheit.

FRANKFURT/MAIN. Leygraf soll einem Journalisten ein Gutachten mit intimen Details zu Gäfgens Sexualleben gegeben haben. Der damalige Jurastudent Gäfgen entführte und erstickte 2002 den Bankierssohn Jakob von Metzler. Nach Gäfgens Verhaftung drohte ihm der Frankfurter Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner, der das Kind noch am Leben wähnte, mit der Zufügung von Schmerzen, wie er sie noch nie verspürt habe, wenn er das Versteck nicht preisgebe. Gäfgen führte die Polizei daraufhin aber nur zur Leiche des Kindes.

Jetzt verlangt Gäfgen, der inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, Schmerzensgeld und Schadensersatz vom Land Hessen. Er leide wegen Daschners Folterdrohung unter Angstzuständen. Der Prozess wird weithin kritisiert, weil Gäfgen sich selbstgerecht als Opfer stilisiere. Als Selbstdarsteller wurde Gäfgen auch angegangen, als er in der Haft ein Buch schrieb und erfolglos versuchte, eine Stiftung zugunsten von Verbrechensopfern zu gründen.

Wer hat Daschners Vorgehen gedeckt?

Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer will bei dem Schmerzensgeld-Prozess vor allem herausfinden, wer Daschners Vorgehen im hessischen Innenministerium gedeckt hat. Daschner hatte im Strafprozess gesagt, er habe sich mit einem Vorgesetzten in Wiesbaden abgestimmt, dessen Namen er aber nicht nennen wollte. "Im Zivilprozess hat Daschner kein Aussageverweigerungsrecht mehr", betont Anwalt Heuchemer.

Dass der Prozess stattfinden kann, hat 2008 das Bundesverfassungsgericht durchgesetzt. Die Frankfurter Gerichte hatten Gäfgen keine Prozesskostenhilfe geben wollen. Gäfgen habe bereits dadurch Genugtuung erfahren, dass Polizist Daschner 2004 wegen Nötigung zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt wurde. Karlsruhe meinte dagegen, Gäfgens Klage weise schwierige Rechtsfragen auf, die in einer Hauptverhandlung geklärt werden sollten.
Wer ist Norbert Leygraf?
Zur Vorbereitung des Prozesses beauftragte das Landgericht Frankfurt den Sachverständigen Norbert Leygraf von der Uni Duisburg/Essen. Er sollte prüfen, ob Gäfgen wirklich traumatisiert ist. Leygraf ist einer der renommiertesten Gerichtspsychiater Deutschlands. Zuletzt begutachtete er zum Beispiel Brigitte Mohnhaupt (Ex-RAF) oder den Kofferbomber von Nordrhein-Westfalen, Youssef al-Hajdib
Allerdings hatte sich Leygraf 2007 im Rheinischen Merkur negativ über Gäfgen geäußert: "Herr Gäfgen hat sich bis heute nicht im geringsten mit seiner Tat auseinandergesetzt". Anwalt Heuchemer sah darin ein Indiz für Voreingenommenheit, weil Leygraf den Inhaftierten zuletzt 2003 gesehen hatte. Zudem stellte sich nach Informationen der Badischen Zeitung heraus, dass Leygraf dem Journalisten Benedikt Vallendar ungefragt eine Kopie des Gäfgen-Gutachtens zeigte und sogar überließ. "Darin geht es auch um intimste Fragen, etwa der Sexualentwicklung von Herrn Gäfgen", kritisierte Heuchemer. Heuchemer hat im Namen von Gäfgen inzwischen gegen Leygraf Strafanzeige wegen Verletzung von Privatgeheimnissen erstattet.
Wie unparteilich ist Leygraf?

Außerdem hat Leygraf versucht, den Journalisten unter Berufung auf den Informantenschutz zum Schweigen zu bringen, was Vallendar aber ablehnte. In einer Stellungnahme für das Gericht räumte Leygraf darauf ein, er erinnere sich nicht daran, Vallendar das Gutachten gezeigt zu haben, könne dies aber "letztlich nicht sicher bestreiten".

Das Landgericht Frankfurt entband Leygraf nun von seiner Aufgabe als Gutachter. Es könne der Eindruck entstehen, "der Sachverständige werde die ihm vom Gericht gestellten Fragen nicht mit der gebotenen Unparteilichkeit beantworten". Ein neuer Gutachter wurde bereits bestellt, der Prozessbeginn wird sich nun jedoch um Monate verzögern.