Frankfurter Richter holen für Gäfgen-Prozess höchst umstrittenen Gutachter
Frankfurt Der Fall Gäfgen bereitet der hessischen Justiz einmal mehr Probleme: Das Landgericht Frankfurt hat für den Schadensersatzprozess des verurteilten Kindesmörders gegen das Land Hessen einen Gutachter bestimmt, gegen den wegen möglicher Gefälligkeitsgutachten für hessische Behörden ermittelt wird. Die hessische CDU-Landesregierung hatte im Juli erklärt, dass der Mann bis zur Klärung nicht mehr mit Gutachten betraut werde.
Der Frankfurter Nervenarzt Dr. Thomas H. ist bundesweit in die Gazetten geraten, weil er vier Steuerfahnder des inzwischen aufgelösten Finanzamts Frankfurt V gegen deren Willen für dauerhaft dienstunfähig erklärt hat - mit Diagnosen wie "paranoid-querulatorischer Entwicklungen" im Sinne "chronisch verfestigter psychischer Erkrankungen". Alle Beamten hatten sich gegen eine Anordnung ihrer Vorgesetzten gewehrt, die ihre Ermittlungsarbeit gegen Großverdiener in weiten Teilen faktisch zum Erliegen gebracht hatte. Zwei der Beamten sind stellvertretend mit dem Whistleblower-Preis geehrt worden. Der alle zwei Jahre vergebene Preis der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und der Juristenorganisation IALANA soll Menschen ehren, die in ihrem Arbeitsumfeld schwere Missstände aufdecken.
Als Kollegen des Gutachters bei der hessischen Landesärztekammer die ärztlichen Befunde zu den Steuerfahndern genauer lasen, sollen ihnen die Haare zu Berge gestanden haben. Die Kammer erstattete gegen den Nervenarzt wegen des Verdachts der Fälschung von Gesundheitszeugnissen bzw. der Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Zwischenzeitlich hat es auch eine Hausdurchsuchung bei ihm gegeben. Parallel klagt die Kammer zudem gegen den Arzt vor dem für Heilberufe zuständigen Gericht: Das Verwaltungsgericht Gießen wird noch im November an drei Tagen über die berufliche Zukunft von Dr. Thomas H.verhandeln.
Auch wenn die hessische SPD-Opposition den spektakulären Fall in den Landtag brachte und Gesundheitsminister Jürgen Banzer erklärte, "wie bei derartigen Situationen üblich" werde bis zur Klärung davon abgesehen, den Gutachter mit weiteren Fällen zu beauftragen: Beim Landgericht Frankfurt sagte dessen Sprecher Meinrad Wösthoff der Name Dr. Thomas H. nach eigenem Bekunden nichts. Ansonsten dürfe er auch dazu angesichts des laufenden Verfahrens keine Auskunft geben. "Es ist eine Entscheidung der Kammer, wen sie als Gutachter bestellt." Die Richter sind auch nicht weisungsgebunden.
Die Nachricht löst nur Kopfschütteln aus bei Norbert Schmitt, finanzpolitischer Sprecher der Wiesbadener SPD-Landtagsfraktion und Obmann in einem Untersuchungsausschuss zu den kaltgestellten Steuerfahndern. Er hält die Bestellung von Dr. H. "derzeit in diesem gerichtlichen Verfahren für grob fahrlässig. Das ist hochproblematisch und sehr heikel."
Und bei der Kammer hat auch ein Ablehnungsantrag nicht lange auf sich warten lassen: Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer hat nach eigenen Angaben einen solchen Antrag bereits gestellt - und zudem angeregt, Dr. H. auch für vielleicht bereits geleistete Arbeit nicht zu entschädigen: Dr. H. habe wissen müssen, dass ein Gutachten durch ihn unvertretbar sei. "Bei der Sachlage ist die Bestellung von H. eine prozessuale Farce", so Heuchemer zu unserer Zeitung.
Dr. H. ist bereits der zweiter Gutachter, den das Gericht für den Prozess bestellt hat. Der ursprünglich benannte renommierte Fachmann Norbert Leygraf war vom Gericht wegen Befangenheit abberufen worden. Es war auch bekannt geworden, dass er ein Gutachten mit intimen Details aus Gäfgens Sexleben an einen Journalisten weitergegeben haben soll.
In dem Staatshaftungsprozess geht es vordergründig um Schadensersatz und Schmerzensgeld für Gäfgen vom Land Hessen. Der Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler leidet nach eigenen Angaben nach der Folterdrohung im Frankfurter Polizeipräsidium unter Angstzuständen. Die Klage hatte heftige Kritik ausgelöst und wurde erst möglich durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Gäfgens Anwalt will nach eigenen Angaben bei dem Prozess auch ergründen, wer im Innenministerium das Vorgehen des damaligen Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner gedeckt hatte. Daschner müsste als Zeuge in dem Prozess dazu Angaben machen. (Lars Wienand/Moritz Meyer)
Der Frankfurter Nervenarzt Dr. Thomas H. ist bundesweit in die Gazetten geraten, weil er vier Steuerfahnder des inzwischen aufgelösten Finanzamts Frankfurt V gegen deren Willen für dauerhaft dienstunfähig erklärt hat - mit Diagnosen wie "paranoid-querulatorischer Entwicklungen" im Sinne "chronisch verfestigter psychischer Erkrankungen". Alle Beamten hatten sich gegen eine Anordnung ihrer Vorgesetzten gewehrt, die ihre Ermittlungsarbeit gegen Großverdiener in weiten Teilen faktisch zum Erliegen gebracht hatte. Zwei der Beamten sind stellvertretend mit dem Whistleblower-Preis geehrt worden. Der alle zwei Jahre vergebene Preis der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und der Juristenorganisation IALANA soll Menschen ehren, die in ihrem Arbeitsumfeld schwere Missstände aufdecken.
Als Kollegen des Gutachters bei der hessischen Landesärztekammer die ärztlichen Befunde zu den Steuerfahndern genauer lasen, sollen ihnen die Haare zu Berge gestanden haben. Die Kammer erstattete gegen den Nervenarzt wegen des Verdachts der Fälschung von Gesundheitszeugnissen bzw. der Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Zwischenzeitlich hat es auch eine Hausdurchsuchung bei ihm gegeben. Parallel klagt die Kammer zudem gegen den Arzt vor dem für Heilberufe zuständigen Gericht: Das Verwaltungsgericht Gießen wird noch im November an drei Tagen über die berufliche Zukunft von Dr. Thomas H.verhandeln.
Auch wenn die hessische SPD-Opposition den spektakulären Fall in den Landtag brachte und Gesundheitsminister Jürgen Banzer erklärte, "wie bei derartigen Situationen üblich" werde bis zur Klärung davon abgesehen, den Gutachter mit weiteren Fällen zu beauftragen: Beim Landgericht Frankfurt sagte dessen Sprecher Meinrad Wösthoff der Name Dr. Thomas H. nach eigenem Bekunden nichts. Ansonsten dürfe er auch dazu angesichts des laufenden Verfahrens keine Auskunft geben. "Es ist eine Entscheidung der Kammer, wen sie als Gutachter bestellt." Die Richter sind auch nicht weisungsgebunden.
Die Nachricht löst nur Kopfschütteln aus bei Norbert Schmitt, finanzpolitischer Sprecher der Wiesbadener SPD-Landtagsfraktion und Obmann in einem Untersuchungsausschuss zu den kaltgestellten Steuerfahndern. Er hält die Bestellung von Dr. H. "derzeit in diesem gerichtlichen Verfahren für grob fahrlässig. Das ist hochproblematisch und sehr heikel."
Und bei der Kammer hat auch ein Ablehnungsantrag nicht lange auf sich warten lassen: Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer hat nach eigenen Angaben einen solchen Antrag bereits gestellt - und zudem angeregt, Dr. H. auch für vielleicht bereits geleistete Arbeit nicht zu entschädigen: Dr. H. habe wissen müssen, dass ein Gutachten durch ihn unvertretbar sei. "Bei der Sachlage ist die Bestellung von H. eine prozessuale Farce", so Heuchemer zu unserer Zeitung.
Dr. H. ist bereits der zweiter Gutachter, den das Gericht für den Prozess bestellt hat. Der ursprünglich benannte renommierte Fachmann Norbert Leygraf war vom Gericht wegen Befangenheit abberufen worden. Es war auch bekannt geworden, dass er ein Gutachten mit intimen Details aus Gäfgens Sexleben an einen Journalisten weitergegeben haben soll.
In dem Staatshaftungsprozess geht es vordergründig um Schadensersatz und Schmerzensgeld für Gäfgen vom Land Hessen. Der Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler leidet nach eigenen Angaben nach der Folterdrohung im Frankfurter Polizeipräsidium unter Angstzuständen. Die Klage hatte heftige Kritik ausgelöst und wurde erst möglich durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Gäfgens Anwalt will nach eigenen Angaben bei dem Prozess auch ergründen, wer im Innenministerium das Vorgehen des damaligen Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner gedeckt hatte. Daschner müsste als Zeuge in dem Prozess dazu Angaben machen. (Lars Wienand/Moritz Meyer)
Rhein-Zeitung 9.11.2009