Michael Heuchemer
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Dr. Michael Heuchemer

  

Laienrichter-Mehrheit am Volksgerichtshof
In seinem Leitartikel "Walküre" (F.A.Z. vom 24. Januar) wirft Frank Schirrmacher die Frage der historischen Authentizität des Films "Operation Walküre" auf und merkt dazu an: "Von den angeblich unsäglichen historischen Fehlern bleibt nun vor allem, dass Hitler nicht in einer Ju 52 flog und Stauffenberg sich nicht unmittelbar vor dem Attentat rasierte"; andere Abweichungen hätten "dramaturgische und intellektuelle Gründe".
Aus rechtshistorischer Sicht sei eine Randnotiz als Ergänzung erlaubt: Eine Szene gegen Ende des Films soll offenbar die Richterbank des Ersten Senats des Volksgerichtshofs unter seinem Präsidenten Dr. Roland Freisler darstellen; man sieht drei Richter in roter Robe. Diese Darstellung ist historisch nicht korrekt.
Der Volksgerichtshof hatte sechs Senate. Jeder Senat war mit fünf Richtern besetzt. Von diesen fünf Richtern waren jeweils zwei Berufsrichter. Nachdem das Gesetz vom 24. April 1934 (Art. III, IV, Reichsgesetzblatt I, 341 - 348 345) dem Reichsgericht die Zuständigkeit für erstinstanzliche Strafsachen in Verbrechen des Hoch- und Landesverrats entzogen und das Gesetz vom 18. April 1936 (Art. I, RGBI I, 369) den Volksgerichtshof zum ordentlichen Gericht im gerichtsverfassungsrechtlichen Sinne gemacht hatte, bestimmte ein Erlass vom 19. Juni 1936, RGBI 1936I, 503, dass die Berusfsrichter am Volksgerichtshof die rote Robe der Reichsrichter trugen.
Diese sogenannten "Volksrichter" waren häufig SA-Offiziere im Generalsrang. So war beispielsweise der Erste Senat in der Hauptverhandlung vom 22. Februar 1943 gegen Mitglieder der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" wie folgt besetzt: Die beiden Berufsrichter waren Präsident Dr. Freisler und Landgerichtsdirektor Stier; die drei Beisitzer waren die SA-Gruppenführer Breithaupt und Bunge sowie der Staatssekretär und SA-Gruppenführer Köglmaier. Nur die beiden Berufsrichter unterschrieben beziehungsweise zeichneten übrigens auch die Urteile.
Selbstverständlich soll nicht verkannt werden, dass es nicht die historische Aufgabe des Films sein kann, historische Wahrheiten detail abzubilden. Für den an Geschichte und Rechtsgeschichte interessierten Kinobesucher mag die gerichtsverfassungsrechtliche Fußnote aber auch deshalb instruktiv sein, weil die Besetzung der Senate mit einer zahlenmäßigen Mehrheit von "Volksrichtern" mit hergebrachten Grundsätzen und Traditionen krass brach und auch in diesem en detail den politischen Charakter der Rechtsprechung des Volksgerichtshofs verdeutlicht.

In der FAZ vom 13.2.2009 schrieb Dr. Michael Heuchemer, Bendorf